Editorial: Öffentliche und private Macht
Das Machtverhältnis zwischen Wirtschaft und Öffentlichkeit wurde in diesem Frühjahr bei ACTARES verstärkt zum Thema. Die zwei Prozesse, die Novartis zu Patentfragen in Indien angestrengt hat, sind das offenkundigste Beispiel. Ebenfalls zu diesem Themenkreis gehören die Geschäfte unserer Grossbanken mit Firmen, denen Menschenrechte wenig bedeuten, das intensive Lobbying von Syngenta für die fortgesetzte Verwendung des gefährlichen Herbizids Paraquat und die heimliche Finanzierung von Parteien in der Schweiz.
Dürfen Unternehmen Parteien finanzieren? Auch die Schweiz kennt heute eine Professionalisierung der Wahlkampagnen. Für politische Erfolge ist ein kostspieliges Marketing entscheidend geworden. Der Einfluss der Unternehmen auf den demokratischen Prozess ist deshalb dringend zu diskutieren. Wenn Unternehmen die Kampagnenkassen von Parteien füllen, handeln sie damit im Interesse der Unternehmensleitung oder des Aktionariats? Ist es überhaupt legitim, dass sich eine börsenkotierte Gesellschaft, also eine juristische Person ohne bürgerliche Rechte, in einen Wahlkampf einmischt?
Einsatz gegen Machtmissbrauch Bei uns stellt die Verzerrung der demokratischen Prozesse erst eine Bedrohung dar. Das Missverhältnis hingegen, zwischen den finanziellen Mitteln grosser Konzerne und jenen der meisten Entwicklungs- und Schwellenländer, hat sich in letzter Zeit nicht verringert. Immer wieder beeinträchtigen deren Geschäfte die Gesundheit der Bevölkerung und die Menschenrechte. Unsere Grossbanken haben Mühe, aus der Vergangenheit zu lernen. Immer wieder verstricken sie sich in zweifelhafte Geschäfte und lehnen gleichzeitig ihre Verantwortung für deren Auswirkungen auf Mensch und Natur ab. Die agrochemische Industrie vertreibt im Süden Produkte, die in Europa verboten sind. Unser Aktionärsgewissen ist gefordert. Das Scheitern der Klage von Novartis in Indien könnte eine Bresche geschlagen haben: für eine Verringerung des Ungleichgewichts zwischen öffentlichen und privaten Interessen.